Frühjahr 105 anno Helmuthi

Sei gegrüsst Ulgar, du alter Hühnerschinder!

Und auch viele Grüsse an Dich, Davina, die Du meinem alten dickschädeligen Bruder diesen Brief wohl vorlesen darfst!

Entgegen Deiner Gebete, Brüderchen, geht es mir gut und ich bin mit dem Leben zufrieden. Denn die Wanderungen mit den Verbannten bringen etwas Abwechslung in meinen Schrei-beralltag. Obwohl wir auch oft ruhige Treffen haben. Erst neulich gab es ein solches.

Ich war hier in Ratisbon sehr eingespannt in das Kopieren und Studieren alter Pandekten und Digesten, aber mich erreichte rechtzeitig der Ruf Finley's. Er wollte die Verbannten einmal mehr um sich versammeln, um, wie er sagte, einmal wieder unsere gemeinsame Habe in Ord-nung zu bringen. Dazu trafen wir uns in einer befestigten Hafenstadt an der Nordküste. Ob-wohl es ein langer Weg dorthin war, schreckte mich die Reise nicht. Die Zeiten, als der Weg vom Hof in die Stadt mir lang vorkam, sind längst vorbei. In dem Hafen hatte Fin schon die Passage zu einer fernen Insel für alle Verbannten gebucht. Es gäbe dort ein ruhiges Plätzchen, an dem wir geruhsame Tage verbringen könnten. (Dies eine Mal sollte er recht behalten.) Un-terwegs traf ich die Vettern Aed, Gary und Paddy. Paddy hätte mich beinahe mit seinem Kar-ren überfahren, Aed sprang auf, nachdem er ein paar unglückliche Hühner von einem Bauern-hof befreit hatte, und Gary war in aller Herrgottsfrühe aus einem warmen Bett geflüchtet, als der Hausherr etwas zu früh von einer Reise zurückkehrte. Glücklich, wieder vereint zu sein, kreiste schnell der Fion und weithin hörbar schallten unsere Lieder. Nach vergnüglicher Reise trafen wir im Hafen ein, wo sich bereits auch Fin, Murty, Kenny, Dougal, Robert, Ian und die Königin Nera eingefunden hatten.

Wir waren schon etwas misstrauisch, denn normalerweise bringt uns Finley immer an etwas seltsame Orte. Aber letztlich sind wir nur Magwaays Werkzeuge, wie ihr wisst.

Und so zuckten wir nur mit den Schultern, als nach der Überfahrt und kurzer Reise mit dem Ochsenkarren ein Wegweiser in den Blick kam, der uns den Pfad nach "Neu-Finster" wies.

Gary schaute Fin etwas verzweifelt an, denn Dunkelheit und Finsternis drückten immer auf sein Gemüt seit der Zeit in Kerkuhn damals. Aber er gab sich in sein Schicksal. Obwohl er sich fortan immer nah bei Paddy oder Kenny hielt, umso mehr als bald darauf die Nacht he-reinbrach.

Nach Fin's Karte konnte es nur noch eine kurze Reise für die Gruppe sein. Uns hatten sich im letzten Marktflecken vor der Grenze zu Neu-Finster ein paar Söldner und auch Nordmänner angeschlossen, die sofort erkannt hatten, dass sie hinter dem Widderkopf auf Finley's mächti-gem Schild Schutz finden würden.

Der Wald schien undurchdringlich und tatsächlich ... finster.

"Nur noch wenige Schritte, Vettern.", flüsterte der Clanchef, gerade so, dass wir McQuay ihn verstanden. Er hatte schon mehrmals wachsam zu der Söldnertruppe zurückgeblickt, die seit der letzten Rast merkwürdig still war. Die Nordmänner kompensierten diese Stille und muss-ten sich alle paar Meter Mut zurufen. Noch dazu waren sie vergesslich, denn auch die Befehle musste ihr Anführer immer wieder wiederholen, damit seine Burschen nicht wie ein Haufen kopfloser Hühner durcheinander liefen.

Ich spitzte meine Ohren auf jedes Geräusch des Waldes, noch immer fühle ich mich etwas unwohl in der freien Natur, obwohl ich schon einige Umläufe auf der Wanderschaft bin. Du kennst Dich immer noch besser aus im Wald, Ulgar, aber ich lerne stetig.

So hörte ich dann auch unmissverständlich das Flüstern der Anführerin des Söldnerhaufens: "Für die Ehre von Neu-Finster übergeben wir eure Seelen der Finsternis." Bei diesen Worten zogen sie ihre Schwerter. Es war ihre letzte Handlung auf dieser Welt und in Miilschbaar wer-den sie nur Kühe melken und Wasser saufen. Denn wie Schatten tauchten Ian und Aed hinter ihrem Trupp auf, Finley und Robert drehten sich behände um, aus dem Wald sprangen Doug-al und Murty mit blanken Waffen und ehe die Klingen der Söldner die Schwertscheiden ganz verlassen hatten, fielen schon die Leichen des verräterischen Packs zu Boden.

Fin hiess uns, schnell weiterzulaufen. Paddy und ich stützten Gary so gut es ging, denn ihn hatten beim Klang der Stimme der Söldnerin seine alten Ängste übermannt und er war fast nicht in der Lage, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Gibhim sei Dank war die Grenze zu Neu-Finster tatsächlich nur wenige Schritte entfernt gewesen. Nach einigen raschen Schritten kamen wir zum Grenzposten. Dort erwartete uns der Hauptmann der Wache und erklärte, die Grenze sei geschlossen, aber wir könnten auf einer nahe gelegenen Wiese unsere Zelte auf-schlagen. Diskussion schien sinnlos und wir alle wollte nach dem Marsch und dem Überfall gerne rasten.

Während wir anderen noch unsere Habe verstauten, war Aed schon damit beschäftigt den Grillrost, den wir beim Betreten des Dorfes vor einem grossen Zelt als herrenlos ausgemacht und zum Schutz vor Diebstahl in unsere Obhut genommen hatten, mit köstlich aussehenden Hühnerflügeln, Krabben und Fischfilets zu belegen.

Wir hatten uns kaum alle am Feuer niedergelassen, die Flasche befand schon zum wiederhol-ten Mal auf der Runde durch die Hände der McQuay, als Aed uns ein wohlschmeckendes Mahl kredenzte, das mich noch heute Tränen des Glücks vergiessen lässt. Gegrillter, gewürz-ter Fisch, Hühnerflügelchen von glücklichen Hennen,... Wir alle konnten Aed nicht genug loben, wir machten nur ausgedehnte Pausen davon, um mehr vom Grillrost zu naschen.

Gesättigt konnten wir mitverfolgen, wie immer mehr Reisende auf dem Lagerplatz eintrafen. Am seltsamsten war ein Gruppe gewandet, die drei furchterregende Kriegsoger mit sich führ-te. Wobei aber nur zwei an Ketten geführt wurden, ein dritter, weiblicher lief immer hinter einer Frau her, die eine seltsame, schwarze Krone mit drei Zacken trug. Ein alter Mann im Trupp hatte an seinen Stab eine Kugel gebunden, die sich bei näherem Hinsehen als ein orki-scher Kopf entpuppte. Aber ansonsten schienen sie ganz nett zu sein. Auf unseren Reisen ha-ben wir schon weit seltsamere Gestalten getroffen, Brüderchen! Wenn auch nur wenige häss-licher waren als Du.

So betrachteten wir auch noch die anderen Reisenden, die aber alle von unseren freundlichen, McQuay'schen Art überrascht zu sein schienen. Oder sie waren erschöpft von der Wande-rung. Allesamt waren sie etwas schüchtern, ein erster Eindruck, der sich später bestätigte.

Für die Nacht teilte Finley Wachen ein, obwohl dies rückblickend nicht nötig gewesen wäre, denn alles blieb ruhig. Im Morgengrauen hatten Ian und ich Wache, als sich der Leutnant der Stadtwache zu uns gesellte. Er hatte wohl noch nie Kaffee getrunken, denn nach einer Tasse fing er an zu reden, als hätte man ihm einen Wahrheitstrank gegeben. Nach einer längeren Erzählung über seine unglückliche Kindheit und seine Neigung zu Uniformen kam er endlich auch zu Ereignissen, die uns betrafen.

Vor zwei Tagen war eine Patroullie der Stadtwache im Wald kurz hinter der Grenze ver-schwunden. Es war auch eine Belohnung ausgesetzt, die in Goldaugen, der landesüblichen Währung, ausgezahlt werden sollte.

Der Soldat wollte aber auch noch etwas aus der eigenen Tasche springen lassen, wenn er vor dem Hauptmann informiert werden würde. Warum das ganze, erschloss sich uns nicht. Viel-leicht wollte er Hauptmann werden anstelle des Hauptmanns.

Wir berichteten später am morgen Finley davon, der sich wegen der verschwundenen Wachen einmal umhören wollte.

In alter Tradition begannen wir den ersten Tag unserer Zusammenkunft mit langen Meditatio-nen und warten auf das nächste Essen. Nach der üblichen Aedschen Viertelstunde wurden wir wie gewohnt reichlich verpflegt und die ersten neidischen Blicke von unseren Lagergenossen wurden in unsere Kochtöpfe und Schüsseln geworfen.

Vom Hunger getrieben suchten viele andere Abenteurer im Wald nach Nahrung. Es dauerte nicht lange, da kamen die ersten weinend zurück. Zunächst dachte ich, sie hätten sich mit ei-nem Wildschwein angelegt, dass ihnen geistig überlegen war. Das wäre nicht überraschend gewesen. (Da Du das vermutlich nicht verstehst, lass es Dir von Davina erklären.) Aber nein, die Abenteurer sprachen von "schwarzen Garden" und bösen Kriegern. Wir Verbannten sahen uns alle reihum an. Da hatte Fin uns ja mal wieder an einen interessanten Ort geführt! Es wur-de Zeit, mal seine Landkarten zu untersuchen, ob da die Standorte sämtlicher Dämonen und dunkler Horden der Mittellande eingezeichnet waren. Aber es half nichts, die Schafe brauch-ten den Schutz des Hammels. So zogen Fin, Murty, Gary, Kenny, Ian, Robert und ich los, um die Klopfer zu beschützen. Nach wenigen Minuten im Laufschritt trafen wir auf die Kämpfer. Eine unfreundliche Gruppe von Kämpfern, die von der Uniform verdächtig den Söldnern von der Anreise ähnelten, war gerade dabei, verwundete Abenteurer vom Schlachtfeld wegzu-schleppen. Finley formierte mit sicheren Worten und Gesten die verbliebenen Krieger, die sich schon zur Flucht gewandt hatten, ihre Kameraden zurücklassend. Sie beugten sich sofort seiner Kampferfahrung. Uns McQuay stellte der Clanchef in die erste Schlachtreihe. Gary blieb im Hintergrund und versorgte die Verletzten. Schnell erkannten die dunklen Kämpfer, dass ihnen nun echte Gegner gegenüberstanden. Ein paar flohen. Die mutigeren standen und schrieen uns mit ihrem übelriechenden Atem an. Nun, das konnten wir auch und erschrocken und mit grüner Gesichtsfarbe wichen sie zurück. Diesen Moment der Bestürzung nutze Fin, um den Angriff zu befehlen. Wie ein Mann stürmten wir vor und in einem Augenzwinkern lagen unsere Gegner am Boden.

Leider trugen auch Kenny und ich ein paar Verletzungen davon. Aber nichts, was Gary nicht versorgen konnte. Er schien aber etwas irritiert, weil seine Salben und Tinkturen nicht ganz so gut zu wirken schienen wie sonst. Letztlich kehrten wir siegreich ins Lager zurück und ließen uns dort von Aed, Gary und der Königin mit allem versorgen, was ein McQuay so braucht nach einem Kampf.

Der Rest des Tages verlief recht ereignislos, die Abenteurer waren nach dem ersten Ausflug in den Wald von weiteren Versuchen kuriert.

Ach ja, in der Nähe unseres Lagerplatzes bauten ein Priester und seine Novizin einen Schrein für eine Erdgöttin auf, der sehr eindrucksvoll war. Allein, was diese beiden auf ihrem Hand-wagen transportieren konnten, schien ein göttliches Wunder zu sein. Paddy und ich besahen uns dieses Bauwerk aus der Nähe. Die Novizin war nett anzusehen, allerdings schien ihr der Weihrauch zu Kopf gestiegen, denn sie redete wirr. Nichtsdestotrotz luden wir sie an unser Feuer ein, beim Essen könnte sie schließlich nicht reden und auch danach würde uns etwas einfallen, um sie ruhig zu halten. Die Novizin schien auch bereit für ein Gespräch mit Tha-ogh. Ich versuchte dann auch, ihr unseren Glauben nahe zu bringen, aber an die geschickte Wortwahl meines Meisters kam ich nicht heran und so schaute mich das liebliche Geschöpf nur mit verklärten Augen an.

Ansonsten verlief die zweite Nacht ruhig und ereignislos.

Am zweiten Tag im Lager lachte Gibhim über uns, und Fin hiess uns, die Zelte, die jetzt schon auf so vielen Monden unserer Wanderschaft unser Heim gewesen waren, zu reinigen und zu flicken. Und so fanden wir uns schwer arbeitend -ganz entgegen der Sitte-, aber den-noch gut gelaunt die Zelte pflegend wieder, als es im Lage Unruhe gab. Die Gruppe mit den Kriegsogern, offensichtlich Anbeter einer chaotischen Gottheit, führte auf einer Lichtung in der Nähe unseres Üb-Schlaaap ein Ritual durch. Das missfiel anscheinend den Anbetern einer Gottheit der Ordnung und die hatten dann beschlossen für eben solche zu sorgen. Sie griffen also die Chaos Leute an und bald war eine muntere Schlacht im Gange. Da wir gerade bei der Arbeit waren und das Essen bald fertig war, verbot uns Fin, daran teilzunehmen.

Die Ordentlichen behielten die Oberhand und besiegten die zahlenmäßig weit unterlegenen Chaoten in einem tapferen Kampf. (Gary verlor deshalb ein Silberstück. Er sollte es besser wissen, als mit einem Madal Gläubigen zu wetten.) Der Hauptmann der Wache sprach den Verstorbenen sein tiefes Bedauern aus und betonte nochmals, dass in seinem Gebiet die An-gehörigen aller Religionen frei in der Ausübung ihrer Riten seien. Dann liess er die sterbli-chen Überreste verbrennen.

Am Nachmittag desselben Tages gab es einen traditionellen Wettkampf zur Feier des Jah-restags der Hochzeit des Herzogs. Zu dessen Ehren lösten wir uns also, der alten Tradition folgend, von Aed's duftendem Essen und stellten schnell ein Team auf, das Schnelligkeit, Intelligenz und Stärke in sich vereinte. Ach ja, außer mir waren auch noch Fin, Aed, Murty, Kenny, Dougal und Ian dabei.

Die erste Disziplin war als Baumstammwerfen angekündigt. Fin hatte schon einen geeigneten Stamm von etwa zwei Schritt Länge von Ian herbeiholen lassen, als die Stadtwache mit einem Korb voller kleiner Scheite anrückte. Weil die armen Wachleute Rückenprobleme wegen ih-rer schweren Rüstungen hatte, durften Sie -vom Leibarzt befohlen- nur mit diesen Hölzchen werfen.

Ohne Probleme gewann der Clan der Verbannten diese Disziplin, nachdem Aed den anderen gezeigt hatte, wo der Koch den Fion holt - nämlich von ganz weit weg...

Der nächste Wettkampf war das beliebte "Jungfrauen schänden". Obwohl der Herold es hier "Jungfrauen tragen" nannte. Unerklärlicher Weise verloren wir den Wettkampf, obschon wir die Jungfrau in althergebrachter Weise schändeten. Die anderen Gruppen wuchteten ihre Jungfrauen mehr oder weniger elegant von einer Wiesenseite zur anderen und erhielten die Siegerpunkte. Seltsames Volk.

Die dritte Disziplin war das "Sackschlagen". Bei der Nennung der Bezeichnung schauderten wir Verbannten. Aber zum Glück war der Wettkampf harmlos. Auf einem schmalen Balken mussten sich zwei Repräsentanten verschiedener Teams so lange mit einem Strohsack schla-gen, bis einer vom Balken fiel. Völlig schmerzfrei also. Da ich vom Schlagen und geschlagen werden als langjähriger Clanjüngster einiges verstand, durfte ich dabei mitmachen. Kenny und Dougal waren die anderen Freiwilligen, die Fin bestimmte.

Dougal schien auf dem dünnen Brett zu tanzen, elegant schlug er seine Gegner, bevor diese auch nur ausholen konnten. Kenny vertraute auf Übermut und seine Stärke, auch er fegte sei-ne Kontrahenten vom Balken. Ich bemühte mich, den Anschein zu erwecken, als wüsste ich was ich täte und bezwang meine Gegner mit schierem Übermut.

Der letzte Wettkampf war ein sogenanntes Elefantenrennen. Als wir die Ankündigung hörten, lächelten wir, denn das Elefantenrennen war seit jeher ein Bestandteil des Abschiedrituals vor dem pöhpen. Zwar habe ich das (Gibhim sei Dank) noch nicht aus diesem Grund mitgemacht, aber geübt hatten wir das alle schon. Hier sollten drei schöne Novizinnen die Zahl der Um-drehungen der Läufer um den Pfahl zählen. Nach der zwanzigsten durften wir zum Ziel sprin-ten. Aed und ich liefen was das Zeug hielt, aber "unsere" Novizin musste immer wieder neu mit dem zählen beginnen, während wir mit fliegendem Kilt um den Stecken rotierten. Allein während Aed um den Stab rotierte zählte sie mit verträumten Blick allein viermal die zwei.

Während dieses Rennens begab es sich auch, dass plötzlich ein Spieler aus einer anderen Mannschaft die Ziellinie aus dem Blick verlor und auf den Herold zutaumelte- die Augen verdrehte- und auf den Tisch des Kampfrichters fiel. Als er sich aufrappelte schien es ihm besser zu gehen, denn er begann direkt zu laufen. Allerdings nicht in Richtung Ziellinie, son-dern in Richtung Wald. Plötzlich fing der Herold an zu kreischen: "Das Geld, das Geld!" Da hatte das alte Schlitzohr doch die ganze Wettkasse mitgehen lassen! Wir Verbannten began-nen zu lachen, der Junge hatte Schneid! Die Stadtwache polterte in voller Rüstung hinter dem Flüchtigen her. Murty, Dougal, Kenny und ich folgten, um zu sehen, wie der Spaß weiterging. Leider schaffte der Dieb es nur wenige Meter in den Wald hinein, gerade außer Sichtweite des Lagers, bevor die Wache ihn einholte.

Dann aber geschah etwas Seltsames. Die Wache hatte den Mann umzingelt, da schien der Wald plötzlich wie verwandelt. Der Duft von Wildbret und Fion hing in der Luft. Wir waren nur noch ein paar Schritt entfernt vom Geschehen. Ich schwöre, ich sah mit eigenen Augen wie hinter dem Mann geisterhafte Hadatis auftauchten, Bierkrüge in der Hand und Frauen unter den Armen! Und mit den Krügen aus Luft schlugen die Ahnen, denn niemand anderes waren sie, die Wachen nieder. Ein Lachen aus tiefer Kehle hallte durch den Wald. Und für einen Moment glaubte ich, einer der Männer sei Roddy gewesen, der dem wagemutigen Dieb auf die Schulter klopfte und ihm zuraunte: "Lauf, mein Junge, und lass Dich nicht erwischen." Wenn Thaogh da gewesen wäre, er hätte das Ereignis deuten können, ich aber kann nur ver-muten, dass der Diebstahl des Mannes eines Hadatis würdig war und dass die Ahnen das zu würdigen wussten. Wohlweislich erzählten wir den anderen Abenteurern nichts davon, hin-terher hätten die Ordentlichen wieder für Unordnung gesorgt. Die Wachleute erzählten aus Scham nichts und baten auch uns, Stillschweigen zu bewahren.

Die Wettkämpfe waren damit aber beendet, da kein Preisgeld mehr vorhanden war. Nun, wir trugen es mit Fassung (wer wollte schon diese vermaledeiten Goldaugen haben?) und waren nun etwas hungriger auf Aed's nächstes Mahl.

Am dritten Tag regnete es in Strömen und wir nutzen diesen Umstand, um uns in der kleinen Taverne des Grenzpostens umzusehen. Gary fand bald Mitspieler eine Partie "Eschächt" und auch die Königin und Paddy schlossen sich an. Draußen vor der Tür konnten wir anderen ein interessantes Schauspiel bewundern: die Novizin tanzte im strömenden Regen und dankte der Erdgöttin für ihre Gnade und das schöne Wetter! Ich beschloss insgeheim, mir ein paar dieser Kräuter zu besorgen, die sie im Tempel verbrannten. So oft wie wir im Regen marschieren mussten, würde ein bisschen Aufmunterung nicht schaden.

Aber nicht nur die McQuay reisen im Regen auch die Verstärkung der Stadtwache traf nach langen Fußmarsch während des Regens unter unseren wachsamen Augen am Grenzposten ein.

Die Wachen waren unsäglich erschöpft in ihren schweren Rüstungen und keines klaren Ge-dankens mehr fähig. Nachdem sich der erste vor Erschöpfung selbst beschmutzt hatte, musste ihre Kommandantin ihnen sogar befehlen "Auszutreten".

Am Nachmittag klarte der Himmel auf und Aed und Murty nutzten das schöne Wetter und die aufkommende Langeweile im Clan, um für uns eines der alten traditionellen Lustspiele aufzu-führen, dass von den Taten der Verbannten handelte. Sie wählten ein Rührstück über Gary's Wanderschaft.

Mit zunehmender Dauer der Vorführung gesellten sich immer mehr Lagerbewohner zu uns und waren von unserer Kultur tief beeindruckt. Wir setzten die Verwirrung gleich in klingen-de Münze um und erhoben kurzerhand Vergnügungssteuern.

Später wurde es dann aber doch unruhig im Lager. Angeblich hatten einige der Waldratschen ein großes Lager der dunklen Horde ausfindig gemacht und natürlich waren die Ordentlichen schnell mit der Waffe bei der Hand, um diese Waldbewohner "mit Stumpf und Stil" auszurot-ten. Fin konnte sich nicht durchringen, die Schafe zu Schlachtbank laufen zu lassen und so führte er uns an, die Schlacht zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Während die Nordländer wie immer laut die Befehle ihres Häuptlings beim Marschieren wie-derholten, führte Fin uns weg von der lauten Truppe in den Wald. Auf leisen Sohlen schlichen wir uns in den Rücken der Horde. Als wir von der anderen Seite der Lichtung Kampflärm hörten, begannen wir uns von hinten durch die Reihen zu schneiden, um unsere Verbündeten in der Mitte auf dem Feld zu treffen.

Die Hordenkrieger schienen aber wie aufgeladen durch ihre unheiligen Gesänge und Gebete und in ihrer Extase kämpften sie noch mit Wunden weiter, die einen normalen Menschen an die Tore von Biihrgaaden gebracht hätten. So mussten wir bald zurückweichen und plötzlich stand Finley wie vom Donner gerührt mitten auf dem Feld und rührte keinen Finger mehr. Die Gegner schlugen wie tollwütig auf ihn ein. Später erklärte er uns, er habe das gemacht, damit die Gegner müde würden, er aber seine mächtigen Schläge dann später umso wirkungsvoller anbringen könnte. Eine ungewöhnliche Taktik.

Leider deutete ich die Situation falsch und wollte Fin zur Hilfe eilen. Mit dem Schrei "McQuay!" auf den Lippen stürzte ich vor und drosch auf die Gegner ein. Einer von ihnen erwischte mich wohl am Kopf und so brach ich bewusstlos zusammen. Nur kurz später er-wachte ich wieder, Paddy hatte mich vom Schlachtfeld gezogen, während Aed, Kenny und Ian die Krieger mit mächtigen Hieben zurücktrieben und Dougal mit sicherem Auge einen wahren Pfeilhagel losließ. Auch die Königin war schwer verletzt und Fin befahl ihr und mir, zum Lager zurückzukehren, wo Gary und Murty Wache hielten. Mühsam schleppte ich mich, von Nera gestützt, zu den Zelten zurück. Wenn Du jetzt grinst, Bruder, dann frage ich Dich nur, wie viele Kämpfe, richtige Kämpfe Du schon erlebt hast.

Im Lager angekommen erwies es sich mal wieder als außerordentliches Glück, dass wir in Gary einen so fähigen Feldscher haben. Denn als er die zahlreichen Verletzungen an unseren Körpern sah, glomm ein Funke in seinen Augen auf. Er wies Murty an, Gewänder in Streifen zu schneiden, um neue Verbände zu haben, und begann, uns zusammenzuflicken. Halb von Schmerz und Lebenswasser betäubt, murmelte ich nur, er solle nicht amputieren, als er mit seinen glänzenden und äusserst scharfen Instrumenten die Wunden bearbeitete. Ich muss wohl unter seinen heilenden Händen kurz weggenickt sein, denn als ich wieder erwachte, war ich mit Verbänden versehen wie eine Mumie. Nera ging es nicht viel besser, obwohl sie tapfer die Zähne zusammenbiss, als Gary die klaffenden Schwertschnitte mit Nadel und Faden und ei-nem schönen Kreuzstich vernähte. Auch die anderen Verbannten waren wieder eingetroffen. Sie hatten die anderen Abenteurer unterstützt und deren Rückzug dann gedeckt. Das war das äusserste gewesen, was zu leisten war, denn gegen die aufgeputschten Horden war kein Kraut gewachsen. Der Kampf war natürlich an keinem spurlos vorüber gegangen. Fin musste wieder mal seine Rüstung runderneuern und Gary hatte alle Hände voll zu tun, den Blutstrom einzu-dämmen, der sich aus den zahlreichen Wunden ergoss. Solange Gary (und Paddy, der ihm sehr tatkräftig half) noch nicht bei jedem gewesen waren, liessen wir den Fion kreisen, um den Blutverlust auszugleichen. Dadurch beruhigten wir uns langsam wieder, obwohl im Lager alle wie kopflose Hühner durcheinander liefen.

Fin vermutete, dass die Horde noch in der Nacht blutige Rache nehmen würde und wir wür-den den Ansturm nicht alleine aufhalten können. Die anderen Abenteurer beschuldigten sich gegenseitig der Feigheit und an gemeinsames Vorgehen war nicht zu denken.

Endlich erreichte der Fion auch Gary's blutige Hände, als er sich nach der Versorgung der letzten Verletzung endlich eine Pause gönnte. Das Feuer in seinen Augen erlosch, aber er hat-te den zufriedenen Gesichtsausdruckes eines Mannes, der sein Tagwerk mit Erfolg erledigt hatte. Dank seiner fachkundigen Behandlung kamen wir alle nur mit ein paar Narben und bö-sen Erinnerungen davon.

Er war es dann auch, der aussprach, was wir alle dachten: "Fin, es hat keinen Sinn, hier zu bleiben. Maagway stellt uns manchmal vor Aufgaben, die nicht lösbar sind. Es scheint, dass Nihmsi diese Horden unterstützt. Und mir gehen einfach die Verbände und Salben aus. Lass uns von diesem finsteren Ort abziehen."

Ein Blick in die Runde sagte Fin, dass wir auf sein Geheiss weiterkämpfen würden, bis uns das Blut oder die Kraft ausgegangen wären. Aber ein guter Hauptmann weiß auch, wann ein Kampf aussichtslos ist.

Schweren Herzens liess der Clanchef uns die Zelte auf die Karren packen und noch in der selben Nacht verliessen wir "Neu-Finster" im Schutze der ... Finsternis.

Damit war unser Abenteuer im Norden beendet. Wie Du siehst, Ulgar, sind meine Reisen recht abwechslungsreich. Wenn Dich das Fernweh einmal packt, kannst Du Dein Bündel ja schnüren und zu mir kommen. Wenn Du jemanden findest, der Dir die Karte erklärt. Und wenn Davina Dich nicht mit dem Besen windelweich prügelt.

Gehabt Euch wohl, Deine Frau und Du!

Auf bald

Rian McQuay



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