Die Ulricsaga

Wie Cathaír erweckt wurde

Niemand kann mehr sagen, wie es begann, doch die Alten erzählen von einer göttlichen Axt, die vom Himmel fiel. Derart groß war ihre Kraft, dass sie tief in die Sümpfe von Drakenmoor eindrang und den uralten Dämon Cathaír aus seinem feuchten Gefängnis befreite, in das er seit dem Ende der Götterkriege gebannt war.

Die Erde erzitterte, als Cathaír ihren Eingeweiden entstieg. Der Dämon war von schwarzem, alles versengendem Feuer umhüllt. Er war sechs Schritt hoch und hatte auf dem Kopf drei furchterregende Hörner mit denen er seine Gegner im Nahkampf aufspießte. Überall an seinem riesigen kahlen Schädel waren Augen und fängenbewehrte Mäuler. In jedem der vier Arme an seinem ledrigem rotbraunem Leib schwang er eine andere Waffe. Da war das gezackte schwarze Schwert Bàs, das er selbst in den Tiefen der Erde geschmiedet hatte, der riesige steinerne Kriegshammer Cloch, den er aus einem Berg geschlagen hatte, die glühende rote Axt Meallá, in die er die Kräfte des Chaos eingefangen hatte, und der furchterregende bleiche Streitkolben Lorcàn, gefertigt aus den Knochen dreizehn getöteter Götter.

Cathaír sah die vielen schwachen Völker dieses Landstrichs, und seine Fratze verzog sich zu einem grausamen Lächeln. Sein Freudengebrüll entlud sich zu einem Sturm, der die Wälder Drakenmoors entwurzelte: Das würde ein leichter Sieg werden. Allerdings konnte Cathaír keine Macht durch eigene Siege gewinnen, und so würden Sterbliche kämpfen müssen, denn es waren ihre Mordlüste und Todesängste, die er genoss und aus denen er Kraft schöpfte.

Im Handumdrehen übernahm er die Macht über das verschlagene Volk der Orks, grausame, grünhäutige Kreaturen, die das Tageslicht scheuten und den Menschen die Freuden neideten. Sie hausten tief in den Bergen und Wäldern der Mittellande, kannten keinen Ackerbau und keine Viehzucht, allein das Morden und Brandschatzen war ihre Art. Sie waren die idealen Werkzeuge des Dämonen. Ihm als Mittelsmänner zu dienen, machte er sich drei weitere Dämonen untertan: Bocán, Duinisdraoi und Buitcheraght.

Mit diesen vier Dämonen an der Spitze ihrer Streitmacht überzogen die Orks das Land mit Krieg. Nichts und niemand konnte diesem Ansturm widerstehen, die Menschen konnten nur fliehen oder sterben. Schnell war Drakenmoor gefallen und eine grausame Flut ergoss sich über die Alte Mark.

Wie Toric den Tod fand

Zu jener Zeit regierte Toric von Arfels die Alte Mark, ein Volksfürst, der frei nach dem Willen des Volkes gewählt war. Toric herrschte am Hofe von Kerkuhn, am Rande der Wälder von Tirrannonn. Alt war er an Jahren und schwer lastete die Zeit auf seinen Gliedern, doch noch war das Feuer in seinen Augen nicht erloschen. Ihm zu Seite stand Sive, die Fürstin, sein ihm treu ergebenes Weib. Sie hatte ihm einen Sohn mit Namen Ulric geboren, der mit der Zeit zu einem Mann von scharfem Geist und stattlicher Gestalt herangewachsen war. Es mangelte ihm allein an Kühnheit, was seinen Vater schwer grämte. Doch die Mutter beruhigte stets ihren Gatten: "Wenn das Schiksal Ulric prüfe, dann werde er bestehen."

Es lag tiefe Nacht um die Stadt Kerkuhn, und die Wächter waren wachsam und ließen Auge und Ohr nicht von dem Haupttor. Am Hofe tranken die Recken aus großen Hörnern den Met, und der Sänger sang zur Harfe. Da, um Mitternacht, erhob sich plötzlich ein grauenerregendes Brausen, das Haupttor zerbrach, furchtbar stand Cathaír, der Dämon, in der Halle und tötete vier Männer mit einem einzigen Schlag. Voller Grimm stürzten sich die überraschten Wachleute mit Schwertern und Spießen auf den Unhold, aber alle Schläge prallten ab. Ein schlimmer Zauber war mit dem Dämon: Die Speere wurden stumpf. Verzweifelt schlug und wehrte sich der kleine Haufen. Kein Retter kam, und höhnisch lachend brach das Monster den Mannen das Genick und trank ihr Blut.

Wie auf ein Zeichen wimmelte es plötzlich überall von Orks. Jedem Schatten schienen sie zu Hunderten zu entspringen. Wie eine dämonische Sintflut strömten sie durch die Straßen Kerkuhns. Mit lautem Brüllen drangen sie in jedes Haus und jedes Zimmer und trieben die hinaus. Wer die Waffe zur Gegenwehr erhob, wurde sofort getötet und am Marktplatz gepfählt.

Auch der Fürst in seiner Burg fand sich in der Enge, Weib und Sohn an seiner Seite, von zwölf Wachen umringt, die ihn mit Schild und Leib zu schützten suchten. Da betätigte der alte Fürst einen verborgenen Hebel in der Wand um einen geheimen Zugang zu öffnen. Er wies den Sohn an, durchzugehen und sprach: "Ulric, mein Sohn, ich lege nun das Land in deine Hände. Sei ihm der Retter in der Not. Du wirst Rat brauchen und Hilfe. Leugne deinen Namen, bis du beides gefunden hast, und dann befreie unser Volk." Zwei der Wachen fielen unter dem Drang der Angreifer und selbst die Fürstin hieb nun mit dem Schwerte auf die grünhäutige Brut ein. "Geh rasch! Am Ende dieser Treppe wende dich nach links, dann folge stets dem Gang, an seinem Ende wähle die rechte Tür: Sie wird dich aus der Stadt führen. Geh!" Ulric wollte widersprechen, doch sein Vater stieß ihn die Treppe hinab und verschloss die Tür.

Soeben hatte der letzte Gardist sein Leben ausgehaucht. Toric warf seinen Umhang ab, richtete sich auf und zog sein Schwert. Das Alter wich von ihm, seine Augen flammten auf und für einen Augenblick hielten die Angreifer inne. Dann hieben sie härter denn je auf das Fürstenpaar ein. Toric von Arfels stand Seite an Seite mit der Frau, die ihm seit langen Jahren die Treue hielt, und gemeinsam töteten sie zwei Dutzend Orks, bevor sie von Pfeilen niedergestreckt wurden.

Die Alte Mark gehörte den Orks.

Wie Ulric den Orks entkam

Ein schwerer Kampf tobte auch in Ulrics Herzen, doch wusste er um die Wahrheit der Worte seines Vaters. So eilte er in der völligen Finsternis der unterirdischen Gänge davon. Böses ahnend, suchte und fand Ulric Waffen und Rüstung. Er fand auch Gang und Tür und die Rettung schien nah. Mit Speer, Schild und Schwert gewappnet, trat er aus dem Höhlenausgang. Seine böse Ahnung hatte ihn nicht getrogen. Im fahlen Sternenlicht erblickte er ein halbes Dutzend Gestalten: Orks, darunter ein Gehörnter, übler noch und kräftiger, als die normale grünhäutige Brut. Offenbar hatte böser Zauber Flucht und Ausgang verraten.

Ulric blieb keine Zeit zum Denken, denn schon sprang der erste Ork ihn an. Mit einem mächtigen Schlag seines gewaltigen Schwertes dachte der an einen leichten Sieg. Ulric fing den Hieb mit dem Speer auf, schlug ihm das Schwert aus der Hand und warf den Speer nach dem nun fliehenden Ork. Durchbohrt sank der Ork tot ins Gras. Ein zweiter Ork schleuderte seinen Speer nach Ulric, doch der sprang auf die Seite, und so flog die Waffe vorbei, tief in die Höhle. Ulric erschlug in kurzem Kampf den Gegner. Nicht anders erging es zwei weiteren Orks, doch trat Ulric dabei zu weit aus dem Eingang hervor, und nun schnitten ihm die letzten beiden Gegner den Rückweg ab.

Beide kämpften gegen den einen. Die Orks warfen nacheinander ihre Speere. Ulric gelang es, sie abzuwehren, so dass sie nur in die Erde flogen. Mit gezogenem Schwert drangen die Orks nun vor, doch Ulric hielt sie sich mit dem Speer vom Leibe. Während nun der Gehörnte weiter vordrang, bückte der Gemeine sich, seinen im Gras liegenden Speer aufzuheben. Ulric stand jedoch mit dem Fuße darauf, was den Ork erschreckt zu Boden gleiten ließ. Hätte ihn der andere nicht geschirmt, so hätte Ulric leichtes Spiel gehabt. Ulric warf seinen Speer nach dem Gehörnten, und nur dessen unnatürliche Haut verhinderte, dass er schwer verwundet wurde. Durch diesen Treffer aber wich der Gehörnte nach hinten aus, und Ulric drang ungehindert mit dem Schwert auf den Gemeinen ein, schlug ihm den Schild aus der Hand und traf den Schenkel, so dass das Bein von der Hüfte gertrennt wurde. Halbtot lag der grünhäutige Ork im Gras. Wieder schwang der Gehörnte sein Schwert, und es erhob sich ein bitterer Kampf. In seinem Zorn versetzte Ulric dem Ork einen heftigen Hieb auf das Haupt, doch an der schuppigen Haut zerbrach ihm das Schwert. Als er darauf den Griff wegwarf, wurde seine Hand durch einen Schwertschlag des Gehörnten vom Arme abgetrennt. Starr stand Ulric, aber blitzschnell zog seine andere Hand den Dolch, den er sich zur Not umgebunden hatte, und ehe der heranstürzende Ork es sich versehen hatte, ward ihm von unten her die Gesichtshälfte aufgeschlissen. Lippen und Stirn klafften, das rechte Auge und sechs Zähne hatte der Gehörnte verloren. Dann sank er zu Boden.

Wie Ulric der Hexe begegnete

Ulric versuchte mit Gras die Wunden zu stillen, doch das Blut floss in Strömen dahin, und sein Körper wurde heiß ob des Giftes der Orkklingen. Jeder Kraft beraubt, schleppte Ulric sich in die Wälder, und nur die Worte seines Vaters hinderten ihn daran, sich für immer hinzulegen.

Da ließ ein Schrei ihn aufblicken: er war in einer Lichtung und das fahle Mondlicht offenbarte ihm eine grauenvolle Kreatur die ein altes Weib gepackt hielt. Ulric sammelte seine schwindenden Kräfte. Er ließ den Armstumpf los, um das mitgeführte Schwert des Gehörnten fest in die linke Hand zu nehmen. Sofort strömte das Blut erneut aus seinem Arm. Halb blind vor Schmerzen stürzte er sich mit einem Schrei auf das Monster. Die Kreatur ließ das alte Weib fallen und wehrte den Angriff des Taumelnden ab. Ein Wimmern verriet Ulric, dass die Frau noch lebte. Er wich dem Hieb der Kreatur aus und versenkte das Schwert tief im Leib des Monsters. Aber er war am Ende seiner Kräfte, und es gelang ihm nicht, die Klinge wieder herauszuziehen. Ulric fühlte noch, wie sich die Klauen des Untiers in seine Brust gruben bevor ihm die Sinne schwanden.

Ulric erwachte nackt und auf Fell gebettet. Seine Wunden waren versorgt, und auch das Gift schien seine Wirkung zu verlieren. Der Raum war dunkel bis auf ein Feuer in der Ecke, überall hingen Wurzeln, Blätter und kleine Tiere. Am Feuer stand das alte Weib und rührte in einem großen Kessel. Die Alte drehte sich zu ihm um: "Ha! Ihr seid wach, mein Fürst? Gut, gut! So sollt Ihr essen. Diese Suppe wird euch munden und zu Kräften bringen." Dankbar nahm Ulric die Speise an. "Ihr habt mir das Leben gerettet, so will ich euch weissagen. Denn wahrlich dunkel ist eure Zukunft, und jeder Rat mag euren Weg etwas erleuchten." Während er hungrig aß, sah Ulric voller Verwunderung und Misstrauen, wie die Alte einen Beutel Steine und Knochen vor sich ausschüttete und dabei mit ihrer rauhen, kehligen Stimme sang. Dann plötzlich fing sie an zu sprechen, doch nicht mit ihrer, sondern einer anderer Stimme, denn sie klang nun lieblich wie ein kleines Mädchen.

"Irgendwo jenseits der Zeit

stehen drei Recken bereit.

Die Drei musst du finden,

um die Flut zu überwinden."

Wieder verfiel die Stimme in den krächzenden Gesang des alten Weibes. Ulric stammelte: "Jenseits der Zeit? Was soll das bedeuten? Und welche Drei? Woran werde ich sie erkennen?" Wie zur Antwort mischte die Alte erneut die Steine und Knochen durch. Diesmal war ihre Stimme tief, männlich und voller Stolz.

"Die Ordnung und das Chaos zerbricht

auf der Suche nach dem Gleichgewicht."

Auch die nächsten Verse sprach eine männliche Stimme, doch waren die Worte glasklar und ohne jedes Gefühl.

"Die Ordnung, die sich im Chaos verbirgt,

ist das Licht, das in der Finsternis gebirt."

Und nun wurde die Stimme weiblich, und sie war rein und edel wie ein sonniger Frühlingsmorgen.

"Leben und Tod bilden einen Kreis.

Im Auftrag des Lebens erwärmt sich das Eis."

Nach diesen Worten war die Alte still und verharrte wie schlafend in ihrer Position. Und obwohl Ulric viele Fragen an sie richtete, ignorierte sie ihn, bis er schließlich vor Erschöpfung einschlief.

Als er erwachte, war es hellichter Tag, und Ulric fühlte sich gut, denn selbst seine rechte Hand war wieder an ihrem Platz. Allein von dem alten Weibe fehlte jede Spur und die Hütte sah aus, als wäre sie seit Jahren verlassen. Lange dachte Ulric über diesen Zeig des Schiksals nach, bevor er einen Entschluss traf und aufbrach.

Wie Ulric zu den Orks ging

Ulric schlich vorsichtig zum Ausgang der Höhle zurück. Immer noch lagen dort die Erschlagenen im Gras. Die Orks waren nicht für ihre Bestattungsriten bekannt. Jemand hatte die Leichen entwaffnet, aber mehr waren sie ihren Artgenossen auch nicht wert. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass keine Späher in der Nähe waren, tauschte er seine feinen Kleider und seine gepflegte Rüstung gegen den grobschlächtigen Überwurf und den zerschlissenen Lederharnisch eines der gemeinen Orks. Die Klinge des Gehörnte steckte er an seine Seite, bevor er die Höhle betrat deren Ausgang ihm letzte Nacht beinahe zum Verhängnis geworden war.

Ulric schritt seinen Weg zurück. Nein, ab nun gab es keinen Ulric mehr. Wie sein Vater ihm geraten hatte würde er seinen Namen verleugnen bis er das Land befreien konnte. Von nun an würde er sich Mordok nennen - würde er Mordok sein. Er versuchte einige Gänge und Türen bevor er schließlich unbemerkt hinter der Treppe zur Taverne die Gewölbe verließ.

Ulric hielt sich in der Taverne verborgen und beobachtete und lauschte. Er sah wieviel Macht der vierarmige Dämon Cathaír über die anderen drei Dämonen hatte, und wieweit jene über die gehörnten Orks verfügten, und welche Befehlsgewalt die wiederum über die grüne Brut hatten. Allein die Menschen wurden von allen wie Vieh behandelt, nur Arbeit und Schlaf war ihnen frei gestattet; Essen, Ausgang und Gespräch waren nur unter Aufsicht möglich. Immer wieder regte sich Unmut unter den Menschen, doch jedes Widerwort wurde aufs Härteste bestraft. All das sah Ulric und prägte es sich gut ein. Er hielt sich verborgen, und wartete.

Wo einst die Stimme der Bardin sanfte Träume versprach, da erinnerten nun rauhe Orkstimmen an die Besetzung. Ein Gehörnter und ein Dutzend Gemeine vertrieben sich die Zeit in der Taverne. Die einzigen Menschen waren der Wirt und seine beiden Schankmaiden die mit grimmiger Miene so manche Schmähung erdulden mussten. Da sah Ulric wie die Maid ein Messer in ihrer Schürze verbarg. Er wusste was kommen würde, daher sammelte er all seine Willenskraft um Ulric tief in seinem Inneren zu verbergen. Schließlich verschloss er sein Herz und, ebenso wie sein Gesicht, wurde es hart wie Stein.

Es ging schnell. Der hässliche grünhäutige Ork zur Linken des Gehörnte spuckte die Maid an und sofort zog jene den Dolch um ihm die Kehle aufzuschneiden. Doch Ulric war schneller. Er eilte heran, fest ergriff er die Hand der Meuchlerin und mit einem lauten Knacken brach ihr Arm. "Das also bedeuten dir unseren neuen Herren?", herrschte er sie an. "Angreifen willst du jene die dich am Leben ließen und dem Land Stärke geben werden?". Er warf die wimmernde Maid an den Tresen. "Dankbar solltest du sein das wir den schwachen Greis Toric los sind!" Ulric kniete vor dem Gehörnten nieder und senkte den Kopf. "Verzeiht mächtiger Herr! Die Frau war nicht bei Sinnen. Schenkt ihr noch einmal das Leben. Ich werde dafür Sorge tragen das sie versteht, was wir euch verdanken. Mordok, zu euren Diensten."

Der Gehörnte hieß die aufgesprungenen Orks sich setzen. Er wand sich dem Knieenden zu: "Du bist ein Sklave nach meinem Geschmack, Mordok. Ich bin Khvalek, erster Hauptmann von Tel'noi, der Hand von Bocán, und ich nehme deine Dienste an." Dann verzog sich sein Gesicht zu einem hämischen Grinsen. "Aber vorher wird mein dämonischer Herrscher deine Gesinnung prüfen." Entsetzt wichen die Grünhäutigen von dem Menschen ab. "Urod! Durak! Marr ta u Roth! Wir werden ja sehen wie lange du in meinen Diensten bleibst." Sein grausames Grinsen wurde noch breiter während Ulric hinausgeführt wurde.

Wie Ulric von Bocán verhört wurde

Ulric wappnete sich für das Unvermeidliche. Die Orks führten ihn in eine Ecke des Burghofes, oder fast, denn wenige Meter davor, blieben sie stehen und gaben ihm einen kräftigen Stoß. Nur ein schwaches Schimmern in der Luft warnte ihn vor: Zauberei! Ein magischer Kreis! Ulric fühlte wie eine dämonische Kraft von ihm Besitz ergriff und in die Tiefe riss.

Sein Fall endete abrupt. Völlige Finsternis wich einem schwachen grünen Leuchten, die Luft war trocken und heiß, der Gestank ekelerregend. Er stand nackt auf schleimüberzogenem Fels in einer riesigen Höhle. Eine Umgebung in der sich die Orkbrut wohl fühlen musste. Ulric wollte sich umsehen, doch eine überirdische Kraft hielt ihn fest verwurzelt. "Mordok der Verräter!" Eine grauenvolle Stimme, drohend und kalt, ließ Ulric erschauern. Auf breiten ledernen Schwingen schwebte Bocán aus der Finsternis heran. Der Dämon hatte menschliche Gestalt, war gut vier Schritt hoch und von pechschwarzer Hautfarbe. Er hatte das hässliche Gesicht eines riesigen Orks, seine Hauer stießen gelb aus seinem Maul hervor und zwei Hörner auf der Stirn unterstrichen seine dämonische Natur. Das Monster landete vor Ulric, faltete seine Schwingen zusammen und lehnte sich auf seine riesige Keule Lúth.

"Du hintergehst die Menschen und unterwirfst dich den Orks? Wie erfreulich!" Die Stimme des Dämons war voller Hohn. "Nun, wir werden sehen was du wirklich hier willst." Die Höhle schien kälter zu werden während das Monster dröhnend lachte. Bocán ergriff den regungslosen Ulric und schleifte ihn tief in seine Höhle. Sie betraten eine Raum voller übler Folterwerkzeuge, und dort spannte der Dämon den wehrlosen Menschen auf eine riesige Streckbank.

Ulric erleidete unzählige Qualen unter den Händen des Dämonen, doch er sprach nur von den Heldentaten der Besatzer. Alle Knochen brach ihm der Dämon, doch Ulric preiste seinen Peiniger. Zum Schluss riss Bocán dem widerspenstigen Ulric das Herz aus dem Leibe um seine Geheimnisse zu offenbaren, doch es war hart wie Stein und all die Macht des Dämons konnte es nicht öffnen. Da endlich war es der Dämon müde, er packte das Herz in den Körper des Recken und warf ihn wütend zurück in den Kreis.

Ein scharfes Brennen weckte Ulric aus seiner Ohnmacht. Ein uralter Ork, der vor Schmutz starrte und es mit dem Gestank der Dämonenhöhle aufnehmen konnte, schmierte ihn mit einer ebenso übelriechenden Paste ein. So eklig diese Salbe aussah, so wundersam schloss sie Ulrics Wunden. Sein ganzer Körper schmerzte von der Folter des Dämonen und der groben Behandlung dieses Orkschamanen. Dann betrat der gehörnte Khvalek den Raum: "Mein Herrscher ist zufrieden. Du stehst in meinen Diensten. Du wirst das menschliche Vieh hüten. Gibt es Ärger, werde ich dich bestrafen. Sind sie fleißig, werde ich dich belohnen."

So kam Ulric in die Dienste der Orks.

Wie die Fremden erschienen

So wie noch vor wenigen Tagen aus den Schatten Orks hervorsprangen, um das Land zu übernehmen, so schien nun allerlei Volk in Kerkuhn und Umgebung vom Himmel zu fallen. Über hundert Fremde, Männer wie Frauen, Alte wie Junge, Ritter wie Bauern, ganze Familien und Gefolge erschienen auf wundersame Weise. Die Orks waren verwirrt und fürchteten eine Teufelei ihrer Feinde, doch mehr noch fürchteten sie ihre dämonischen Herren. Rasch besannen sie sich und hielten jede ihnen fremde Kreatur an, um sie zu entwaffnen. Dann trieben sie die Neuankömmlinge in ein Lager zusammen und verboten ihnen den Ausgang. Dieserarts konnten jene nicht mit den bereits unterworfenen Sklaven in Verbindung treten. Die Fremden waren zu überrascht oder zu weise, um sich zur Wehr zu setzen und so fanden die Orks schnell wieder zu ihrem gewohnten Leben zurück.

Nur einer schmiedete Ränke, Ulric, der Kollaborateur, denn die vielen neuen Gefangenen bedrohten seine Position bei den Orks - brachten sie doch Unruhe unter Besatzer und Besetzte. Aber sie konnten auch sein Heil sein, denn nach allem was Dämonen und Orks in langen Folterstunden herausgefunden hatten, kamen die verwirrten Fremden aus einer weit entfernten Zeit. Und ihr Kerkuhn war frei von Besatzern. Er musste mehr über die Neulinge erfahren, aber auch das keimende Misstrauen der Besatzer galt es zu beruhigen.

Ulric nutzte den kleinsten Vorwand um die seltsamen Fremden festnehmen zu lassen, auch wenn ihn diese Recken dafür hassten und einen Verräter nannten. Aber er kam dabei seinem Ziel näher, denn auch wenn es Orks oder Dämonen waren die die Gefangenen befragten, so war er dabei und lauschte. Wieder einmal rief ihn einer der Dämonen zu sich, Duinisdraoi war es, der Unheimlichste unter ihnen. Er war kaum größer als ein Mensch, auch von ähnlicher Statur und er trug eine seltsame graue Kutte. Manchmal erschien sie hauchdünn, ja sogar durchsichtig, ein anderes Mal wieder hart und unbeweglich wie Fels. Der Stoff schien sich zu bewegen als hätte er ein eigenes Leben. Niemals sah man Gesicht oder Hände des Dämonen, nur eine tiefe beunruhigende Schwärze blickte aus der grauen Kapuze hervor. Wie ein alter Mann stützte Duinisdraoi sich auf einen langen kräftigen Stab, doch auch dieser schien wie die Robe ein befremdliches Eigenleben zu führen und Ulric war sich sicher, dass er pulsierende schwarze Adern auf dem felsgrauen Stab gesehen hatte. Jedesmal erschauerte er, wenn er die hohe, schrille Stimme des Dämonen hörte.

Diesmal sollte er zu der Befragung eines der rocktragenden Fremdlinge kommen. Ulric traute dieser Gruppe, die sich Clan McQuay nannte, ebensowenig wie die Orks. Ihnen schien weder der Fall durch die Zeit noch das Joch der Besatzung zu missfallen. Sie machten keine Unterschiede ob nun Fremdlinge ihrer Zeit, Bewohner dieses Landes oder Orks an ihr Feuer kamen. Und sie waren überall: wo auch immer eine Patrouille in Kerkuhn war, da war auch ein McQuay, als sollte ihnen nichts entgehen. So war Ulric begierig zu hören, was das Verhör brachte, doch Duinisdraoi befahl ihm lediglich den Mann zurückzuschaffen - oder was von ihm übrig war.

Es war einer der jüngsten Männer dieses Clans. Seine Haut war übersät mit feinen Platzwunden, selbst seine Augen blutunterlaufen, sein Rücken war überzogen mit riesigen Brandblasen und zwei Finger der linken Hand waren erfroren, seine Füße waren blutig und wund, als hätten Ratten daran genagt und das blaue Barrett, dass diese Fremden mit soviel Stolz tragen, steckte blutverschmiert tief in seiner Brust. Zu Ulrics Erstaunen lebte der Gemartete noch und stammelte wirr: "Clan... Leben... Gleichgewicht", immer und immer wieder. Waren das etwa die Grundfesten seines Glaubens? Versuchte er so den Wahnsinn der Folter zu überleben?

Wie Ulric seinen Plan offenbarte

Nach dieser Begegnung musste Ulric die McQuay näher kennen lernen. Schon bald verstärkte sich sein Gefühl, dass sie mehr waren als unbedachte Kollaborateure. Ihr Anführer Finley, ein respekteinflösender Riese mit diplomatischer Zunge, war stets informiert über die Vorgänge im Lager. Er kannte sogar die grüne Orkbrut mit Namen, trank auf das Wohl von Khvalek und schien bei allen Gefangenen hoch angesehen. Ulric war sich sicher: Finley McQuay war einer der drei Recken von denen die Hexe gesprochen hatte.

Ulric ließ Finley die Nachricht zukommen, das er ihn zur mitternächtlichen Stunde, außerhalb der Stadtmauern, in einer alten Scheune treffen wolle. Finley erschien, wachsam, einen Verbündeten erhoffend, eine Falle erwartend. Doch Ulric spielte ehrlich und war alleine. Ulric offenbarte sich als rechtmäßiger Erbe dieses Landes, dessen einziges Ziel es war, die Flut zu beenden und sein Volk zu befreien. Dieser Vertrauensbeweis erfreute Finley und so versprach er Ulric seine Dienste, doch erbat er sich eine Gunst: Er selbst und alle Fremden sehnten sich zurück nach ihrer eigenen Zeit, die sie durch göttliche Macht verlassen hatten, Ulric solle seinen Einfluss und sein Wissen um diesen Ort nutzen, um die Fremden bei dieser Rückkehr zu unterstützen. Ein Treueschwur besiegelte ihren Pakt.

Es war nicht wenig was Finley zu bieten hatte: in den wenigen Tagen seit dem Erscheinen der Fremden, hatte er ein Netzwerk aus Informanten und Widerständlern unter den Bewohner Kerkuhns gesponnen, seien es Orks, Fremde oder Einwohner: Waffen wurden hergestellt, gesammelt und verborgen. Ulric hatte sich nicht in Finley getäuscht. Lange Zeit redeten sie miteinander und erst als der Morgen graute, schlichen die Verschwörer zurück in die Stadt. Ulric fühlte wie seine Last leichter wurde.

Wie das Ritual geplant wurde

Finley hatte den Weisen unter den Fremden den Auftrag gegeben nach Möglichkeiten für ihre Rückkehr zu suchen. Denn auch wenn der Kampf gegen die Orkflut das Schicksal einiger sein mochte, so war die Heimreise der Wunsch aller.

Unter den Zauberkundigen und Gottesfürchtigen taten sich einige besonders hervor: die Gesandten Yadans, stark im Geiste und treu im Glauben, angeführt von Chaled Ibn Sinà, der besonnenen Stimme eines untergegangenen Volkes. Unbemerkt von den Orks, war er es, der Ordnung in die Reihen der Gläubigen brachte. Unermüdlich eilte er im Lager von Gemeinschaft zu Gemeinschaft, erhörte ihre Forderungen und sammelte ihr Wissen. Chaled bewegte alle Gruppierungen zur Zusammenarbeit. Die Fremden sahen wieder einen Sinn in ihrem Tun, mehr noch: sie fanden Freude an dem gemeinsamen Ziel.

Unter Chaleds Vermittlung entwickelten die Weisen voller Eifer ein magisches Ritual das in der Lage sein würde, jeden Fremden an seinen Herkunftsort zurück zu bringen. Er ließ Zeichen der Macht auf der Erde anbringen und magische Kreise errichten, und weihte selbst den Ritualplatz. Unter den Augen der Orks, doch ohne ihr Wissen, entstand mitten im Lager der Fremden dieserarts ein Portal das die Reise durch die Zeit ermöglichen würde. Allerdings stellten die Weisen auch fest, dass ihnen etwas fehlte: ein spiritueller Führer, der den Weg durch die Dimensionen ebnen würde. Ohne ein derartiges Wesen, würde jeder, der das Portal durchschritt, unweigerlich in den Niederwelten verloren gehen. Verzweifelt durchstöberten die fremden Gelehrten die alten Schriften Kerkuhns, die ihnen Ulric insgeheim zukommen liess, und wirklich fanden sie einige Verse, die eine Lösung zu beschreiben schienen und legten sie Chaled Ibn Sinà vor.

"Dunkel ist der Weg der Zeit,

Alleine kommt dort niemand weit.

Dunkel ist der Weg der Geister,

Nur Ifringhan ist hier der Meister,

In Niurins Finsternis verbannt,

Kommt Freiheit nur von Sealgairs Hand."

Chaled verstand die Verse, und tief in seinem Inneren wollte er aufschreien. Er hatte schon gegen den finsteren Ifringhan und seinen dämonischen Diener Sealgair gekämpft. Sie waren Feinde seines Gottes und Geißeln seiner Zeit, sie hier aus den Eingeweiden der Erde, aus Niurin, zu befreien, um dann zurückzukehren und sie erneut zu bekämpfen, erschien ihm wie Hohn. Es musste einen anderen Weg geben! Chaled teilte sein Wissen und seine Bedenken mit den Anwesenden und eine heftige Debatte entbrannte: war es wirklich rechtens diesem Feind der Menschheit zur Freiheit zur verhelfen, um, womöglich gegen den Willen der Götter, zurückzukehren? Und wenn, wer würde sich zu solch einer kühnen Tat bereit erklären?

Wie Untote die Recken plagten

Diese Debatte lähmte die Gelehrten, schwächte die Krieger und verunsicherte das Gefolge: Die Rückkehr schien ferner denn je. So kam es, dass viele sich dem Wein hingaben und alle Vorsicht vernachlässigten. Eben solch einen Moment der Niedergeschlagenheit und der Schwäche hatte der Dämon Buitcheraght abgewartet, um seine Spiele mit den Fremden zu treiben. Er hieß die Orks aus dem Lager der Fremden zu verschwinden. Ulric bemerkte dies wohl, doch blieb ihm keine Zeit die Gefangenen zu warnen. Ohnmächtig musste er ansehen wie das Unheil über die Ahnungslosen kam.

Angeführt von einem mächtigen Lìt, einem zauberkundigen Untoten, das Werk schwärzester Magie, fiel eine Horde Kreaturen der Finsternis über das Lager her. Skelette waren zu Dutzenden dabei, mit bleichen Knochen hielten sie rostige Schwerter und griffen die Unvorsichtigen an. Auch etliche wandelnde Leichen, die ihr fauliges Fleisch auf modrigen Keulen stützen, kamen langsam hinzu. Schrille Schreie erfüllten die Luft, als mitten zwischen den Belagerten Vampire erschienen, Wesen mit fahler Haut, spitzen Zähnen und langen Klauen, dürstend nach Blut.

Etliche der Recken fielen noch bevor sie ihre versteckten Waffen erreichen konnten, und selbst jene, die ihre Waffen griffbereit hatten, stellten rasch fest, dass ihr Stahl wirkungslos war gegen diese unheiligen Monster. Starker Glaube war hier von Nöten, denn nur die Unterstützung göttlicher Kräfte vermochte gegen diese Ausgeburten der Nacht zu helfen. Tapfer kämpften die Eingeschlossenen und versuchten die Monster zurückzudrängen, doch mangelte es vielen am Glauben und so gewannen Buitcheraghts Kreaturen die Überhand.

Da machte der weise Thaogh auf sich aufmerksam. Er war ein McQuay, und sein Volk verabscheute Wesen aus An Dorcha mehr als alles andere. Mit seiner tiefen Stimme ließ er das Lager erzittern: "Das Leben ist heilig und der Tod endgültig - zurück in den Abgrund der Welten mit euch!" rief er und streckte seinen hölzernen Stab gen Himmel, und wo eben noch die Niederlage winkte, da keimte nun Hoffnung. Jeder der soeben noch dem sicheren Tod ins Auge zu blicken glaubte, hatte plötzlich einen McQuay vor sich stehen, der den Schlag abfing. Nebelhaft wirkten diese Erscheinungen und alt, viele waren schwer verwundet, seltsame Gewänder trugen sie, manche waren nicht einmal Menschen, aber alle kämpften sie wie rasend gegen die Wesen der Finsternis. Unter dem wütenden Ansturm der geisterhaften Unterstützung fiel so mancher Untoter und endlich bekamen die Recken Gelegenheit sich zu sammeln. Da krächzte der Lìt Worte in einer dunklen Sprache und deutete auf Thaogh. Sofort umfing jenen Kälte, er spürte wie das Leben aus seinem Körper wich - dann brach er zusammen und im selben Moment verschwanden die hilfreichen Ahnengeister. Wieder stürmten die Untoten vor.

Nun kam Xenons Stunde, ein Eiself und ein Glaubensstreiter Xeras, Untote hatten in seiner Welt keinen Platz, und so hatte er mit seinem Schwert von Anfang an reiche Ernte unter ihnen gehalten - und er hatte die Kampfpause zu nutzen gewusst. Thaoghs Wunder hatte es ihm gestattet, Xeras Schutz zu erbeten. Er würde das Übel an der Wurzel angehen, eine Kugel blauweißen Lichts umgab ihn als er sein Schwert zum Kampf gegen den Lìt erhob. Die schwarze Klinge des Lìt fing seinen Schlag ab und beide Gegner standen sich nun gegenüber. Unbeweglich, blickten sie sich an. Obwohl sie sich nicht rührten, schien ein schwerer Kampf zu toben. Alles Gras unter ihren Füßen verdorrte, Steine lösten sich vom Boden, der Himmel verfinsterte sich, feine Blitze zuckten zwischen ihnen, ein Sturm kam auf... dann griff der Lìt an. Rasend schnell schlug sein Schwert auf den Elfen ein, und rasend schnell wehrte Xenon die Schläge ab. Der Elf drängte den Lìt zurück, doch auch er richtete keinen Schaden an.

Eine Wolke schwärzester Finsternis umfing nun den Lìt und breitete sich langsam über das Lager aus. Eisige Kälte ging von ihr aus und was sie berührte, das brach wie Glas. Selbst das schützende Licht um Xenon verschwand und er spürte wie eine tödliche Macht nach ihm griff. Unbeeindruckt von seiner eigenen Kälte und Finsternis schlug der Lìt erneut auf Xenon ein. Wie von der Kälte betäubt gelang es jenem nur mühsam den Angriffen auszuweichen, und langsam wich er zurück. Doch es war nicht die Temperatur die den Eiselfen langsamer werden ließ, Xenon sammelte seine Lebenskraft um damit seinen Gegner endgültig zurück ins Totenreich zu jagen.

Da endlich, kurz bevor ihn der Lìt zu Fall bringen konnte, da richtete der Elf sich zu seiner vollen Größe auf und entlud die Lebensenergie vieler Jahrhunderte in einem einzigen Augenblick. Ein warmes, gelbes Lichts umgab seinen Körper und weitete sich wie eine Welle in seine Umgebung aus. Das Licht verdrängte die Kälte und die Finsternis, und als die Wärme den Lìt erreichte, weiteten sich dessen Augen kurz zu einem Erstaunen: so viel Lebenskraft hatte sein untoter Körper noch niemals gespürt. Die Kreatur explodierte zu einer Wolke schwarzen Staubes, ebenso nach und nach alle anderen untoten Wesenheiten die von Xenons Wärme erfasst wurden.

Was den Helden in Niurin widerfuhr

Durch all diese Ereignisse aufmerksam geworden, ließ Ulric insgeheim Finley, Chaled und Xenon zu sich kommen. Er erzählte ihnen von der Prophezeiung der Hexe und den Hoffnungen die er in sie setzte. Diesmal versprachen auch Chaled und Xenon ihm jede Hilfe, wollten aber, wie schon zuvor Finley, nicht die Rückkehr der Ihrigen aufgeben. Und schon stritten sie erneut um den Ifringhan, denn Chaled und Finley waren strikt dagegen ein Wesen der Finsternis zu befreien, während sowohl Ulric als auch Xenon dem Zweck Vorrang vor der Wahl der Mittel gaben.

Letztendlich beugten sich Chaled und Finley. Der Ifringhan war das einzige Wesen das ihnen die Rückreise ermöglichen würde, außerdem konnte er ihnen gegen die Dämonen beistehen. Also brachen sie auf nach Niurin, ihn zu befreien, denn Ulric kannte die Eingänge zur Unterwelt. Tief unter den Verließen der Feste Kerkuhn befanden sich Höhlen und Gänge, geschaffen von Wesen aus grauer Vorzeit, bevölkert von lichtscheuen Kreaturen, und niemand wagte sich hinunter, denn kaum einer kehrte je zurück.

Vier Helden, bewaffnet, gerüstet, und ausgerüstet für das Unbekannte betraten alsbald die fauligen Höhlen von Niurin. Finsternis umgab sie. Die Fackel beleuchtete kaum den Boden vor Ihnen. Die Gänge waren teils eng und stickig, teils groß und bedrohlich, aber immer führten sie abwärts. Die Luft war warm und feucht und der Gestank des Moders raubt ihnen den Atem. Fest hielten sie ihre Waffen aber niemand stellte sich ihnen in den Weg. Nur mumifizierte Leichen unbekannter Wesen zeugten anfangs von der tödlichen Gefahr dieser Umgebung.

Doch alle vier sollten den Schrecken Niurins kennen lernen. Zuerst waren es nur klaffende Löcher und lose Felsen die den Helden das Leben erschwerten, dann kamen Fallen hinzu, erdacht von grausamen Baumeistern der Vorzeit, etwa schwere Eisentüren, angetrieben von geheimen Mechanismen und uralter Magie, die sich ohne Vorwarnung schlossen, oder aber betäubende Dämpfe, die die Männer mit Illusionen von Weibern und Gesang narrten bis sie des Hunger starben. Doch die wahre Bedrohung kam von den Bewohnern dieser Finsternis: hintertriebene Gargoyles, geflügelte Wesen mit steinerner Haut, riesige Spinnen deren klebrige Netze ebenso gefährlich waren wie ihre kräftigen Mäuler, gefährliche Gestaltwandler, behaarte Kreaturen mit langen Klauen die ihre Erscheinung wechseln konnten... Mehr als einmal waren Glauben, Weisheit, Heldenmut und Stärke der Gruppe nötig um der Gefahren Herr zu werden.

Nach tagelangem Marsch voller Kämpfe und Entbehrungen drangen sie am Rande der Erschöpfung zu den Verliesen Niurins vor. Bald entdeckten sie den Ifringhan in einem großen, trostlos leeren Gewölbe. Eine Unzahl schwerer Ketten schmiedete ihn an einen grauenvollen Thron aus geschwärzten Gebeinen. Ein Ritter war er, in einer schwarzen Rüstung voller unzähliger Klingen, triefend vor Gift. Von menschlicher Gestalt war er, doch in seinen Augen war dunkelste Finsternis, schwärzer noch als Niurins ewige Nacht. Eine Aura von Grauen, Kälte und tiefsitzender Wut umgab ihn.

Als die vier den Raum betraten, erhob er die befehlsgewohnte Stimme: "Endlich seid ihr hier! Rasch! Befreit meinen Diener auf das ich diese lästigen Ketten loswerde!" Chaled erwiderte erbost :"Ewig schmoren sollst du, Wesen der Finsternis! Wer bist du das du hier Befehle gibst?" Mit ruhiger, kalter Verachtung erwidert der Ifringhan: "Respektloses Gewürm! Willst du je nach Hause zurückkehren? Scher' dich zu Sealgair und hol' ihn her!"

Ulric gebot Chaled zu Schweigen, denn er fühlte das es nun an der Zeit war, zu seinem Blut zu stehen, und mit der festen Stimme eines Herrschers richtete er das Wort an den Ifringhan.

"Ich bin Ulric von Arfels, rechtmäßiger Fürst der Alten Mark, über und unter der Erde. Du bist mein Gefangener und ich habe die Macht dich freizulassen. Ich verlange, dass du mich mit dem Respekt behandelst, der mir zu steht."

"Sieh' an! Ich dachte nur Zeitreisende triebe die Not hier herunter." Spöttisch setzte er fort "Nun denn, mein Fürst, was sind eure Bedingungen?"

"Du wirst die Fremden bei ihrem Ritual unterstützen und dafür Sorge tragen, dass sie heil zurückkehren. Ich weiß, dass das in deiner Macht steht. Außerdem wirst du uns im Kampf gegen die Dämonen unterstützen, die die Alte Mark heimsuchen. Dies alles im Gegenzug für deine Befreiung und die deines Dieners."

"Du forderst viel für einen schwachen Menschen. Wer sind diese Dämonen die euch Kummer bereiten?"

"Bocán, Duineisdraoi, Buitcheraght und der vierarmige Cathaír."

"Cathaír! Dieser schleimige Auswurf der Hölle! Ulric, der Handel gilt! Mein Wort drauf!"

"Es sei."

Gemäß der Beschreibung des Ifringhan fanden sie rasch zu dem bleichgesichtigen Sealgair. Voller Zorn schlug jener auf sein Gefängnis ein. Mal mit seinem knöchernen Schwert, mal mit seinen riesigen roten Klauen. Seit Jahren oder gar Jahrhunderten schien er dies zu tun, angetrieben von der blinden Liebe zu seinem Herrn Ifringhan und der unerschöpflichen Energie seines dämonischen Körpers. Doch wo der Dämon versagte, da würden auch die Menschen nicht weit kommen. Ein Hilfsmittel musste her, eine Substanz der weder Stein noch Stahl, weder Fluch noch Zauber trotzen konnten. Ulric kannte Legenden der Alten Mark die hier helfen würden, und der Gedanke ließ ihn erschauern.

Im Herzen Niurins war ein Bau verborgen, bewohnt von riesigen Insekten, hierzulande Sichelschrecken genannt. Mannshoch waren sie, mit Klingen die aus ihren Armen wuchsen und vier Augen die im Dunkeln seltsam leuchteten. Niemand war ihr Herr und legendär waren ihre Kämpfe mit den Riesenspinnen dieser Gewölbe. Zur Aufzucht ihren Jungen hielten sie sich monströse schleimige Schnecken, die sich von den Gebeinen der Welt selbst ernährten und dafür ein Sekret absonderten. Eben jenes Sekret, das Eauibhduth, würde sicher den Sealgair befreien.

Mit göttlicher Unterstützung, weiser Voraussicht, wilder Entschlossenheit und blankem Stahl drangen die vier Recken tief in den Bau der Sichelschrecken vor und entführten einen der Eisenfresser. Unter den wilden Schlägen nachfolgender Sichelschrecken brach Ulric zusammen. Kurzerhand schleppte Finley den Bewusstlosen weiter, während die vereinten Kräfte Chaleds und Xenons die Decke über den Verfolgern einstürzen ließen. Nur unter Aufbietung all seiner Macht gelang es Chaled Ulrics schwärende Wunden zu versorgen.

Ulric wurde von Finley gestützt während sich die Gruppe zurück zu den Verließen bewegte. Das Eauibhduth des Eisenfressers ätzte sich erwartungsgemäß durch die magisch verstärkten Wände die den Sealgair umschlossen. Kaum befreit, schon eilte jener mit seinem Schwert zu seinem Herrn. Die vier Helden hatte Mühe ihm zu folgen. Rechtzeitig erreichten sie das Gewölbe um zu sehen wie Sealgair mit wuchtigen Schlägen seines knöchernen Schwertes die Ketten zerschlug die den Ifringhan banden. Als die letzte Kette zerbarst erhob sich der Ifringhan mit einem lautem Kampfschrei der die Decke des Gewölbes zum Einsturz brachte. Mit einer Handbewegung erfasste er alle Anwesenden und versetzte sie zurück auf die Erdoberfläche.

Wie der Ifringhan die Dämonen bekämpfte

Die Befreiung des Ifringhan blieb nicht unbemerkt. Die Dämonen spürten den alten und neuen Feind und sofort versammelten sich die Generäle Cathaírs zum Angriff. Noch bevor der Ifringhan die Oberfläche erreichte hieb Bocán mit einem gewaltigen Schlag seiner Keule auf den Erdboden ein, so dass die Erde in ihren Grundfesten erschüttert wurde. Gar mächtig schwankte der Boden. Mensch und Tier verloren den Halt. Manch Unbeteiligter fand dabei den Tod. Mauern und Tore stürzten ein und zum Schrecken der Gelehrten ging auch das magische Portal zu Bruch, die Hoffnung der Fremden schwand. Allein der Ifringhan blieb unbeindruckt, und zusammen mit Sealgair setzte er seinen Weg durch die Trümmer fort bis er der Dämonen gewahr wurde.

Da befahl Buitcheraght den Stürmen ihm zu dienen und den dunklen Ritter hinwegzufegen. Sogleich erhoben sich mächtige Winde und peitschten über die Stadt. Dabei wurden uralte Bäume entwurzelt und Dächer abgerissen und auch die magischen Zeichen des Ritualkreises riss der Sturm mit sich. Doch den Ifringhan kümmerte all dies wenig.

Mit seiner magischen Macht öffnete nun Duinisdraoi die Schleußen des Himmels auf das eine Sintflut den Feind ertränke, und fürwahr fanden viele Menschen und das gesamte Vieh ein nasses Grab, auch die Ernte der Alten Mark wurde vollständig vernichtet durch die Fluten dieses Angriffs. Selbst die letzten Spuren des rettenden Ritualkreises waren nun verschwunden. Doch niemand achtete mehr darauf, galt es doch zu Überleben angesichts dieser dämonischen Kräfte.

Dem Ifringhan schienen all diese Angriffen nicht geschadet zu haben. Er fing lediglich an sich zu verändern. Ketten aus bleichen Gebeinen wuchsen aus seiner Rüstung und seine Hände wurden zu furchtbaren Klauen, während ein unheimliches grünes Leuchten in seinen Augen glomm und plötzlich wie ein Feuer aufloderte. Dann griff er an. Er stürzte sich zuerst auf Bocán und griff tief in seine Eingeweide. Die Ketten waren dabei wie lebende Schlangen, die sowohl Schläge abwehrten als auch austeilten, als führten sie ein Eigenleben. Sofort eilten die anderen Dämonen herbei und ein heftiger Kampf entbrannte, der sich rasch in die Lüfte verlagerte, immer höher und höher hinauf. Bald zeugte nur ein tiefes Donnergrollen von der gewaltigen Schlacht am Firmament. Immer wieder rissen Blitze den Himmel auf und zeigten fünf monströse Gestalten im grausamen Kräftemessen.

Wie das Ritual verteidigt wurde

Kaum waren die Wassermassen aus dem Gefangenenlager abgeflossen da erhob Finley seine Stimme und übernahm die Führung über den durchnässten und entmutigten Haufen. Er wusste: nur solange der Ifringhan mit den Dämonen kämpfte, hatten sie reelle Chancen ihre Pläne durchzusetzen. Er würde die Verteidigung des Lagers organisieren, um solange wie nötig Orks und Dämonen stand zu halten. Chaled Ibn Sinà rief die Gelehrten zusammen und trieb sie an, den Ritualplatz wiederaufzubauen. Wenn der Ifringhan die Wege durch Zeit und Raum öffnen würde, dann mussten sie bereit sein. Ulric verliess derweil das Lager um die Untergrundbewegung Kerkuhns zum Aufstand anzuführen.

Keine Sekunde zu früh kamen Finleys aufrüttelnde Worte. Obschon dreier ihrer Dämonen beraubt, waren die Orks doch zahlreich und gut gerüstet und es entging ihnen nicht der aufkeimende Aufruhr. Der erste Versuch, die Gefangenen unter Kontrolle zu bringen, scheiterte an einer bis dahin kaum auffälligen Gruppe der Fremden, der aventinischen Garde. Diszipliniert, schwer gepanzert, mit neuen Waffen versorgt und unter dem Kommando eines erfahrenen Hauptmanns, gelang es ihnen die Stadtwache der Besatzer zurückzuschlagen.

Finley wusste um die Notwendigkeit eines gut funktionierenden Lagers. Mit seiner prächtigsten Rüstung versehen und mit seiner Streitaxt Gonim fest in seinen Händen, richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und überragte das Lager um gut einen Schritt. Dann erhob er wieder die Stimme und alles verstummte. Selbst die Natur wollte seinen Worten lauschen. Er ernannte Führer und Unterführer, teilte das Lager in Verteidigungsbereiche ein, ließ Trümmer räumen und Zugänge blockieren, organisierte Wachposten und Späher, ließ ein Lazarett errichten und schloss mit den Worten: "Männer! Ich bin seit mehr als zwanzig Jahren Krieger - länger als die meisten von euch gelebt haben. Was ich sage hat Gewicht, denn ich habe überlebt. Es gibt nur einen Weg im Krieg zu überleben - man muss bereit sein zu sterben. Der Mann, der gegen einen Ork zurückweicht, macht einen Schritt in die Ewigkeit. Trefft sie Stirn an Stirn, Krieger gegen Krieger. Da sind an die tausend Orks - eine gewaltige Zahl! Aber wir brauchen nur fünf Stunden für das Ritual, und die Tore sind nicht sehr breit. Sie können nicht alle auf einmal herüber kommen. Während sie es tun, töten wir sie. Stunde um Stunde werden wir sie zermürben. Ich will, dass ihr ans Überleben denkt. Wenn sie kommen sagt zu euch selbst: "Da unten sind zehn Orks nur für mich... ...und bei den Göttern: ICH STRECKE SIE NIEDER!"

Und dann begann der Sturm. Während Chaled und die Weisen unter den Fremden fieberhaft das Ritual vorantrieben, tat der Rest des Lagers alles was nötig war, damit sie ungestört blieben. Orks griffen an, immer wieder, und sie waren nicht allein. Mit ihnen kamen blutrote Höllenhunden, unzählige Untote, verunstaltete Oger, riesenhafte Trolle, rasend schnelle Werwölfe und sogar die furchteinflössenden Sichelschrecken. Die Rüstungen der aventinischen Garde gaben nach, aber ihre Träger blieben an den Toren stehen. Als die Schwerter von Finleys Clansmänner schartig wurden, da hielten sie Einfälle mit blossen Händen auf. Doch die Übermacht der Angreifer war groß und der Blutzoll unter den Verteidigern hoch.

Da kam Ulric mit zwei Dutzend Widerständlern hinzu und liess die Lücken in den Reihen der Fremden schließen. Weiterhin tobte der Kampf. Immer neue Wellen der Angreifer schwappten an die notdürftigen Wehrmauern. Aber immer wenn der Mut der Mannen sank, erhob sich über den Kampfeslärm laut und deutlich Finleys Stimme im Herzen des größten Schlachtgetümmels: "BEI DEN GÖTTERN: ICH STRECKE SIE NIEDER!" Und jedesmal fassten die Belagerten neuen Mut und so gelang es Stunde um Stunde die Angreifer abzuwehren.

Doch dann erschien Cathaír, der Dämon, mitten im Lager und schwang seine fürchterlichen Waffen. In Panik wichen ihm die erschöpften Recken aus. Nur die vier Helden Niurins ließen sich nicht einschüchtern: da waren Finley und Xenon, die sich sofort auf den Dämon stürzten, ebenso stellte sich Ulric seinem Erzfeind, und auch Chaled eilte vom Ritualplatz herbei. So waren die vier Recken wieder vereint und nicht klein war ihre Aufgabe. Furchtbar war der Kampf, und wenig vermochten die Helden. Keiner ihrer Angriffe scherte den Dämon, und Mühe hatten sie seinen mächtigen Schlägen zu entkommen. Schon lag Xenon darnieder, unfähig den schnellen Hieben Meallás auszuweichen. Dann grub sich Cloch tief in den Leib von Chaled. Jetzt fuhr Lorcàn herab, Ulric zu zerschmettern. Doch Finley fing den Schlag ab und alle Knochen brachen ihm im Leib. Sofort stürzte der Clan herbei um sein Oberhaupt zu retten, und es gelang ihm Finleys Körper in Sicherheit zu bringen, doch brachten er Opfer. So fiel Thaogh vor Ulrics Augen. Der stand nun allein gegen das Ungetüm, mit einem wirkungslosen Schwert in der Hand. Cathaír wollte den Wehrlosen mit aufgerissenem Maul verschlingen. Einer Eingebung folgend, ließ Ulric sein Schwert fallen und griff zu Thaoghs Stab, den er tief in den Schlund des Dämons rammte, und wo toter Stahl versagte, da siegte das lebende Holz. Furchtbar schrie das Monster aus seinen unzähligen Mäulern, entsetzlich war sein Heulen als er darniedersank. Ein Glühen umspielte den Stab, wurde heller und heller und strömte schliesslich weissleuchtend gen Himmel während sich der Dämon auflöste. Den Tod ihres vermeintlich unbesiegbaren Anführers vor Augen machte sich Entsetzen unter den Orks und ihren Kreaturen breit. In Panik liessen sie ihre Waffen fallen und flohen in die Wälder. Die ganze üble Brut verschwand aus dem Lager.

Der Kampf war vorüber.

Nach dem Tod des Dämons tauchte unvermitteltet der Ifringhan auf. Auch er war siegreich geblieben, aber sichtlich mitgenommen und die Kräfte schwanden ihm. Mit herrischer Stimme mahnte er die Fremden zur Eile, denn er würde nur einmal den Weg durch die Niederwelten weisen. Chaled öffnete das Portal, während Finley das Volk zusammenrief. Wer gehen konnte, stützte die Anderen, und schließlich durchschritten alle Fremden den magischen Kreis, für den sie solange gekämpft hatten.

Nur Ulric und seine Getreuen blieben zurück auf dem Schlachtfeld, um zu beobachten wie der Letzte der Fremden verschwand, und sich anschließend der Kreis auflöste. Jetzt erst fiel Ulric auf, dass Thaoghs Stab noch vor ihm lag. Er hob ihn auf mit den Worten: "Ich nenne dich Dealan-dè, und du wirst meinem Volk im Kampf gegen die restlichen Orks Beistand geben, wie es auch dein Träger getan hat. Mögen die Feinde bei deinem Anblick erzittern, und die Freunde neuen Mut fassen."

Wie Ulric das Land befreite

Der Dämon war tot und das Werkzeug seiner Vernichtung in Ulrics Hand. Dealan-dè, der Stab des Lichts, wurde stets von zwei Getreuen getragen, und in den Schlachten galt er mehr als das Wappen. Was Ulric versprochen hatte, das trat ein: seinen Freunden gab der Stab Mut, und die Feinde versetzte er in Furcht.

Überall gab es Aufständler, und das Netz das Ulric mit Finley gewoben hatte erwies sich als wirkungsvoll: was in Kerkuhn begann führte rasch zur Befreiung des ganzen Landes. An der Spitze seiner neuen Armee, und mit der Kraft des Dealan-dè, befreite Ulric von Arfels nicht nur die Alte Mark, sondern auch die Hohenlande, die Nordenlande und das Drakenmoor von der Orkbrut.

Als die Zeit kam, neue Herrscher zu wählen, waren sich die Völker einig: Ulric sollte der erste Herzog von Tirrannonn werden, der Vereinigung der flutgeplagten Lande. Viele Winter gaben ihm die Götter, und hohe Weisheit sprach aus seinem Munde, nachdem er ein ruhmgeehrter Greis geworden war. Und als er starb, da starb seinem Volke nicht nur ein König, sondern auch ein gütiger Vater.

 

Zusätzliche Kapitel in den Überlieferungen der McQuay von Tirrannonn

Zusatzkapitel 1: Wie die McQuay die Zeit durchschritten

(Gehört in etwa vor den ersten Absatz des Kapitels "wie die Fremden erschienen")

Nur ein paar Tiere wurden Zeugen wie in den Feldern von Kerkuhn eine zehn Mann starke Gruppe auftauchte. Fremde waren sie und fremdartig. Sie schienen vom Himmel gefallen zu sein und doch setzten sie ihren Weg in gewohnter Weise fort.

Der Führer dieser Gruppe war Finley McQuay, vier Schritt hoch, zwei Schritt breite Schultern, sein Gesicht gezeichnet von den Jahren des Kriegsdienstes, gerüstet in prächtiges Leder und Kette, und er führte die mächtige Axt Gonim. An seiner Seite waren, Zwillingen gleich, seine Brüder Garaidh der Geschickte und Kenneth der Schöne. Beide hatten feine Gesichtszüge, den brennenden Ehrgeiz der Jugend und einen sicheren Griff um ihre Schwerter. In ihrem Rücken wanderten ihre Vettern Aodhagan der Fürsorgliche, Muireadhach der Vorsichtige und Ruiraidh der Stämmige, die mit grimmiger Mine und festem Schritt den Ochsenkarren mit der Verpflegung sicherten. Hinter dem Wagen gingen der weise Thaogh, gestützt auf seinem Wanderstab, und sein überschwenglicher Schüler Laghisrian. Die Nachhut bildeten der hochgewachsene Dougal mit seinem gespannten Bogen Sgiath und der schildgewappnete Hüne Ian.

Thaogh, der Sehende, war tief in Gedanken versunken. Wie auch die Anderen, sah er nur eine leichte Veränderung der Umgebung, doch er wusste das mehr dahinter steckte, und so gebot er der Gruppe zu halten. Finley stimmte dem zu, denn er vertraute Thaoghs Weisheit. So dann nahm Thaogh unter einem mächtigen Baum Platz und suchte Kontakt zu seinen Ahnen. Alsbald fand er sich an der Seite seines verstorbenen Vaters an der Tafel von Birrghaden. Ohne Macht über seine Sinne bemerkte Thaogh wie sein Blick zu Magway, Ersten der Thulen, wanderte als jener plötzlich erschauerte.

"Mo sheacht mallacht!" fluchte Magway laut, setzte seine Flasche Uisce beatha ab und erhob er sich von seinem Thron. Thaogh, ebenso wie die an der Tafelrunde versammelten Thulen und Ahnen, blickten ihn an. Magway ging bis zum Rande Birrghadens und lenkte seinen Aufmerksamkeit auf die Welt. Als sein Blick auf die Alte Mark fiel, erschrak er, denn Gibhims Macht war stark in diesem Gebiet. Und während das Gebiet größer wurde, da nährte sich auch seine Macht. Die wuchs viel zu rasch für Magways Geschmack, er fürchtete das der göttliche Vertrag gefährdet war.

Magway, Hüter des Gleichgewichts, musste Eingreifen und dazu brauchte er Unterstützung von den Subkulthulen. Er blickte sich um. Zuerst schien niemand seinen Ansprüchen gerecht zu werden. Dann fand er weit im Westen der Mittellande, an der Küste des aufstrebenden Crydee, den großen Domnhall McQuay und seinen Clan. Aber niemals könnten jene rechtzeitig vor Ort sein. Doch Magway würde sie benötigten um den Idealen Nihmsis, des Widderköpfigen, Zugang zu Tirrannonn zu ermöglichen.

Da ersann Magway eine List: wenn nicht jetzt, zu Zeiten der orkischen Flut, so doch in einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten würden McQuay vor Ort sein. Er suchte eine Gelegenheit - und er fand sie auch: Während eines Rituals in einer fernen Zukunft öffnete ein namenloser Magier aus Tirrannonn eine Verbindung in diese Zeit. Magway blickte durch diesen magischen Kanal und sah seine Gefolgsleute. Kurzerhand erweiterte er den magischen Zugang soweit, bis er den gesamten Clan erfasste, und zog ihn herüber in jene Zeiten des Ungleichgewichts.

All dies sah Thaogh, die Stimme der Ahnen, und er verstand. Durch Magway und in seinem Auftrag waren sie hier, denn jener befürchtete die Welt könne aus dem Gleichgewicht geraten und es würde die Aufgabe des Clans sein, dies zu verhindern.

Zusatzkapitel 2: Wie Ragnar Siebenschweif den McQuay begegnete

(am besten direkt im Anschluss an das 1. Zusatzkapitel)

Ragnar Siebenschweif erwachte aus einer Vision. Der Kopf eines Widders hatte zu ihm gesprochen. Ragnar war erfüllt von Freude und aufrührerischer Leidenschaft. Er wusste nun: Kerkuhn war sein Ziel. Dort würde sich sein Schiksal erfüllen. Ragnar war der Anführer einer Truppe Aufständler. Alle hatten sie Familie und Stand verloren als die Orks kamen. Doch Flucht war nicht ihre Art. Bauer, Magier, Söldner, Paladine - alle einte der brennende Hass auf die Besatzer und die Ergebenheit zu Ragnar Siebenschweif, ihrem ehemaligen Lehnsherrn. Sie lebten in den Wäldern um Ul und peinigten die Eindringlinge wo auch immer sie konnten. Nun aber trieb Ragnar sie durch die orkverseuchte Wildnis ins Zentrum der Alten Mark.

Die Sonne stand hoch am Himmel als Ragnars Späher einer anderen Gruppe von Menschen gewahr wurden. Sofort gab Ragnar höchste Alarmbereitschaft. Denn trotz etlicher Beobachtungsposten, und obwohl fast ein Dutzend Mann stark und beladen, war es jenen gelungen ungesehen auf fünfzig Schritt heranzukommen. Seltsam erschienen sie Ragnar: Männer, bekleidet mit Röcken und tiefblauer Kopfbedeckung, stattlich an Haltung und diszipliniert in ihrem Verhalten. Wer mochten sie sein? Waren sie sein Schiksal? Auch er war wohl entdeckt, denn der Größte der Fremden kam direkt auf ihn zu. Zwei weitere begleiteten ihn. Die anderen konnte Ragnar nun nicht mehr ausmachen - als wären sie eins mit den Feldern geworden.

Der ruhige Fluss Am stand zwischen den beiden Parteien als sie auf Rufweite herankamen. Ragnar ließ sich ebenfalls nur von seinen beiden engsten Vertrauten begleiten: Ardrivis, der Klarsichtige und Philip, der Flinke. Sie blieben am Waldrand, im Schutz der Bäume stehen. Erwartungsvoll sah Ragnar die Fremden an. Jene knieten nieder, wohl um den Sichtschutz des reifen Weizens zu nutzen. "Ich bin Finley McQuay, Clanführer der McQuay und dies sind meine beiden Brüder Garaidh und Kenneth!", rief der gerüstete Ankömmling. "Wir sind auf den Weg nach Kerkuhn, um dort zu rasten und Freunden unsere Aufwartung zu machen. Wer seid ihr das ihr wie Räuber durch die Wälder schleicht?"

War es die Möglichkeit? Konnte es sein das jene Fremde nichts von der Flut vernommen hatten? Das sie hier, einen Tagesmarsch hinter der Front bewaffnet umherspazierten, ohne von der Besetzung zu wissen? Ragnar schüttelte verwundert den Kopf. Dann antwortete er: "Ich bin Ragnar Siebenschweif, Freiherr von Ul, und dies sind meine Getreuen Ardrivis und Philip. Wir sind ebenfalls unterwegs nach Kerkuhn, doch um dort Verbündete zu finden im Kampf gegen die Orks." "Orks? es gibt doch kaum noch Orks in der Alten Mark! Und mit den wenigen dürfte allein die Wache des Grafen fertig werden." Der Strom des Flusses wurde schneller, sein einst sanftes Rauschen nahm an Lautstärke zu.

Langsam dämmerte es Ragnar: diese... McQuay schienen wirklich nichts von den kürzlichen Ereignissen zu wissen. "In welcher Höhle habt ihr geschlafen? Unzählige Orks haben wie eine Flut die Länder Drakenmoor, Hohenlande und nun auch die Alte Mark überrannt. Grausige Dämonen führen sie an. Kein Heer kann sie aufhalten." "Was redet ihr da nur für wirres Zeug? Orks? Dämonen? eine Flut? Man könnte meinen ihr wollt uns von alten Sagen erzählen. Etwas Derartiges hätten wir sicherlich bemerkt." Finley dachte nach. "Ragnar Siebenschweif, trotz eurer rätselhaften Reden scheint ihr ein rechtschaffener Mann zu sein, so sagt mir: wer herrscht zu diesen Zeiten in Kerkuhn?" Aus dem Rauschen wurden ein lautes Gurgeln, Ragnar hatte Schwierigkeiten den Fremden zu verstehen.

"Die verfluchten Orks halten es besetzt. Fürst Toric Laronne von Arfels war es der es regierte. Doch er starb, zusammen mit seiner Familie, als die Flut kam." Diesmal war es an Finley den Kopf zu schütteln. "Verflucht sei die grünhäutige Brut! Der Name... wohl klingt er bekannt, doch wie aus einer fernen Vergangenheit. Nein: Graf Korfyr von Arfels regiert nun das Land. Doch habe ich schon von Geschichten gehört, wie in den Vorzeiten ein großes Heer von Orks die Lande überfallen haben soll. Diese Plage konnte beendet werden - lange ists her." Wieder schüttelte Finley den Kopf. Alles schien den Atem anzuhalten. Allein die nunmehr tosenden Fluten des Flusses Am waren zu hören als wäre sie des Rätsels Lösung.

Ragnar sah wie Finley sich mit seinen Brüdern beriet. Er selbst wand sich seinen Begleitern zu. "Ich bin überzeugt, sie sagen die Wahrheit. Auch wenn es unglaublich klingt." Philip entgegnete: "Dieser Finley wirkt ehrlich, er und seine Mannen wären eine Bereicherung für unsere Sache." Ardrivis schließlich meinte: "Ich will noch nicht ausschließen das sie unter einem Zauber stehen. Die Zeiten sind gefährlich. Nur wenn ich jedem einzeln in die Seele blicke, werden wir Gewissheit haben."

Da erhob Finley seine Stimme und selbst der aufrührerische Fluss schien ihm Respekt zu zollen und nahm wieder seinen ruhigen Lauf ein. "Ich glaube euch. Es scheint als wurden wir aus fernen Zeiten hergeschickt - vielleicht um euch beizustehen." Er stand auf und ging zum Fluss, seine Brüder an seiner Seite. Dann hob er die Hand. Zu seiner Rechten und zu seiner Linken erschienen je zwei weitere Fremde. "Dies sind meine Verwandten Aódhagan, Ruiraidh, Thaogh und Laghisrian. Den restlichen Dreien könnt ihr sogleich die Hand schütteln." Er schmunzelte während Ragnar sich nervös fragte was der Fremde mit dieser Aussage bezwecken wollte. Da bemerkte er zu seinem Entsetzen wie aus den Schatten der Bäume direkt neben ihm drei Gestalten auftauchten. Doch sie hielten die Hände offen und leer, zum Zeichen des Friedens. "Dies sind Muireadhach, Dougal und Ian - nichts für ungut." Finley schmunzelte wieder.

Als die Fremden auch keine Einwände erhoben von Ardrivis überprüft zu werden war Ragnar sich sicher: er sollte diese McQuay treffen und mit ihnen die Flut beenden. Rasch drängte er zum Weitermarsch, brauchten sie doch ein sicheres Versteck bis zum Einbruch der Nacht. Eine alte Scheune war bald gefunden und nun hatten die Recken Zeit sich gründlich auszutauschen. Viele Informationen bekam Finley über diese Zeit und viel Mut gab er zurück. Er wusste das die McQuay Magway diesen Aufenthalt verdankten. Umso mehr lauschte er Ragnars Erzählungen. Und er verstand die Botschaft: nicht offener Kampf sondern Intrige würde gegen die Besatzung helfen, nicht das Geschick sondern die Moral musste bei den Besetzten gesteigert werden, nicht Gibhims sondern Nihmsis Wege würden hier zum Sieg verhelfen.

Zusatzkapitel 3: Wie Fearghuss McQuay gezeugt wurde

(vermutlich nach dem Kapitel "wie Ulric seinen Plan offenbarte")

Finley kam von einem Treffen mit dem Anführer der Widerstandsgruppen der Alten Mark. Vorsichtig schlich er durchs Unterholz, um ungesehen von den Orks, zurück nach Kerkuhn zu gelangen. Er war wohl auf halbem Weg, als Kampfgetümmel ihn aufmerksam werden ließ. Im Licht der Gesterne sah er, wie sich eine kleine Reisegruppe gegen ein grausames Geschöpf wehrte. Es war fast ebenso groß wie er, hatte dichtes Fell und riesige Klauen mit denen es seinen Opfern die Haut aufschlitzte. Tapfer wehrten sich die Eingeschlossenen mit Schwert und Dolch, doch waren sie verwundet und schienen unerfahren im Kampf. Finley sah gerade wie der vorletzte Mann mit einem Griff an seine offene Kehle dahinsank, als sich ihm die letzte Person zuwand.

Eine Maid war sie, wie er noch keine gesehen hatte. Sie war stattlich von Wuchs und zeigte trotz ihrer Verwundung keine Furcht. Und auch schön war sie und von weiblicher Anmut. Sofort begann sein Blut vor Leidenschaft zu kochen und während er noch seine beiden Kurzschwerter zog, stürmte er auf die Kreatur zu. Das Monster drehte sich um, des neuen Gegners gewahr. Doch mit einer solchen Leidenschaft hatte es nicht gerechnet. Mit der Wucht einer Lawine zog Finley seine Klingen durch den Körper des Ungeheuers und teilte es in Zwei.

Er nahm die erschöpfte Maid in seine Arme und trug sie ungesehen in die Stadt. Dort bettete er sie sanft auf sein Lager und ließ die heilende Hände seines Bruders Garaidh und die kräftigenden Speisen seines Vetters Aodhagan ihre Wirkung entfalten. Finley bewachte ihren Schlaf. Als sie erwachte, entbrannte auch in ihr die Leidenschaft zu ihrem Retter. Am nächsten Morgen nahmen beide schweren Herzens Abschied voneinander, wussten sie doch, dass Finley nur kurze Zeit hier verweilen würde.

Die Fremde kehrte zurück nach Hause. Valisea war ihr Name, und sie wird einen Sohn gebären mit Namen Fearghuss McQuay. Er wird einst zu einem Helden heranwachsen wie sein Vater und das Geschlecht der McQuay von Tirrannonn begründen.

Zusatzkapitel 4: Wie Thaogh erneut nach Birrghaden schaute

(Zum sechsten Absatz des Kapitels "wie das Ritual verteidigt wurde")

Thaogh konnte noch sehen wie Garaidh und Kenneth Finleys geschundenen Körper rasch aus der Reichweite des wütenden Dämonen Cathaír brachten, während er mit dem Rest des Clans die Schläge des Monsters auf sich lenkte. Gerade wollte er den Befehl zum Rückzug geben, als er spürte wie die gezackte Klinge Bàs sein Innerstes nach Außen kehrte. Nach einem Moment der Überraschung hieß Thaogh den brennenden Schmerz willkommen und machte sich bereit, seinen Platz unter den Ahnen einzunehmen.

Und fürwahr, bald schon stand er an den Toren Birrghadens und neben ihm war Magway und blickte zum Himmel hinauf. Dort sahen sie Gibhim, zornig seine göttliche Axt schwingend, und es machte den Anschein als wollte der Gott persönlich zur Welt hinabfahren. Doch da stellte sich ihm sein Widersacher Nihmsi in den Weg: "Denk an das Joch! Hier kannst du nicht mehr gewinnen! Deine Schöpfung war schlauer als du." Wütend verschwand Gibhim daraufhin in einem glühenden Feuerball während Nihmsi zufrieden lächelte.

Da wandte sich Magway um und lachte, ein lautes, befreiendes Lachen, das nach und nach alle Thulen und Ahnen Birrghadens ansteckte. Magway durchschritt die Tore und ging zu seinen Platz an der Spitze der Tafelrunde, dort hob er ein Horn Fíon und brüllte "SLAÍNTE" bevor er es mit einem Zug leerte. Er blickte zu Thaogh herüber, lächelte, und mit einer Handbewegung schloss er die Tore und schickte Thaogh zurück ins irdische Leben.

Als Thaogh erwachte, blickte er zuerst in die erleichterten Gesichter seiner Verwandten, die ihn ins Lazarett transportiert hatten. Und ihre Erleichterung wich einem wahren Glücksgefühl als er ihnen von seiner Vision erzählte, wussten sie nun das ihr Auftrag hier erfüllt war und sie getrost das Portal durchschreiten konnten.